Dienstag, 16. August 2011

Zur Griechenlandkrise

25.07.2011: Zur Griechenlandkrise
Es ist schon geraume Zeit her, als ich in einem internationalen Hotelkonzern als Prokurist in der Finanzabteilung hautnah mit dem Währungsgeschehen zu tun hatte. Wir hatten damals viele Hotels im Süden Europas. Es hab nationale Währungen, die miteinander durch ein Fixkurssystem verbunden waren. Allerdings war eine Wechselkurskorrektur möglich, wenn die Spannungen zwischen den verschiedenen Währungen zu hoch wurden. Dies geschah regelmäßig: Im Laufe der Zeit wurden beispielsweise aufgrund der höheren Lohndynamik und der geringeren Produktivitätsfortschritte die spanischen Hotels für die deutschen Urlauber so teuer, dass sie fast leer standen. Dennoch: Irgendwann kam es dann zu einer Wechselkursanpassung zwischen der spanischen Pesete und der deutschen Mark. Über Nacht war in Spanien jede Badewanne mit einem Gast belegt, die unserer Hotels natürlich auch.
Mit dem Euro hat man den Ländern des Südens die Möglichkeit, unterschiedliche Kosten- und Produktivitätsentwicklungen durch eine Wechselkursanpassung auszugleichen, genommen. Griechenland, Spanien und Portugal sind nun aber diesbezüglich strukturell Ländern wie Deutschland, Holland, Frankreich etc. unterlegen. Die Architekten waren Politiker, die in Kategorien nationaler Größe dachten, ökonomisch jedoch vollkommen unbeleckt waren. Kohl bildete da keine Ausnahme – er war im Gegenteil der Prototyp.
Wenn der Scharnier Wechselkurs einer Volkswirtschaft aber genommen wird, bleibt nur noch ein Scharnier übrig: Der Arbeitsmarkt. Das ist ökonomische Elementarmathematik (wenngleich man den Eindruck hat, dass manch ein gewerkschaftsnaher Ökonom 1+1 nicht mehr zusammenzählen kann). Auf dem Arbeitsmarkt gibt es Menge und Preis als Variablen. Auf Grund der Macht der Gewerkschaften in den Südländern wurde bislang der Preis des Faktors Arbeitskraft unangetastet gelassen. Der Mengenparameter hat es aber in sich: In Griechenland, Spanien und Portugal geht z.B. die Jugendarbeitslosigkeit hart auf die 50 % zu. Eine Jugend ohne Zukunft. Wenn z.B. Gewerkschaften ehedem (jegliche ökonomischen Gesetze beiseite schiebend) glaubten, man könne feste Wechselkurse, hohe Löhne und eine hohe Beschäftigung im Euroraum der Ungleichen zu gleicher Zeit erreichen, landeten sie spätestens im Jahr 2010 hart auf dem Boden der Realität.
Im Rahmen der Griechenland verordneten Sparmaßnahmen wird man nun auch die Preiskomponente auf dem Arbeitsmarkt angehen – Lohnkürzungen werden Griechenlands Binnennachfrage jedoch nicht gerade stärken. Die Schieflage war und ist strukturell. Beispiel Deutschland-Griechenland: Deutschland exportierte wie ein Weltmeister: Die ohnehin qualitativ überlegenen Produkte wurden durch den mittlerweile mehr als 10 Jahre anhaltenden Lohnverzicht der deutschen Arbeitnehmer konkurrenzlos billig gemacht. Griechenland wurde von deutschen Produkten überschwemmt. Mit Agrarprodukten und Tourismus konnte die Handelsbilanz nicht ausgeglichen werden. Die deutsche Volkswirtschaft ersetzt die wegen der Lohnzurückhaltung fehlende Binnennachfrage durch Auslandsnachfrage – die zu einem beachtlichen Teil auf Pump finanziert wird. Und Udo van Kampen feiert in der ARD mal wieder die deutschen Exportüberschüsse. Dass es der derzeitigen Politik bei all dem weniger darum geht, Griechenland zu retten als vielmehr die Verluste der jeweiligen Banken zu begrenzen (auf Kosten der Steuerzahler), ist mittlerweile allgemein bekannt.
Die Währungsunion mit so uneinheitlichen Staaten war von Anfang an eine Schnapsidee. Dies wurde schon vor 13 Jahren von vielen Ökonomen (darunter auch meine Wenigkeit) kritisiert. Leider finden weder Politiker noch Medien den Mut, dies auszusprechen.
Die augenblickliche Politik läuft auf ein Schrecken ohne Ende für Griechenland zu. Man würde Griechenland und dem Rest Europas durch einen Schuldenschnitt, der sich um die 50 % bewegen müsste, etwas Gutes tun. Anstatt des Gefasels von einem Marshallplan sollte Griechenland jedoch zur Auflage gemacht werden, die Währungsunion so lange zu verlassen, bis sich das Land konsolidiert und mit seinen realwirtschaftlichen Parametern dem Rest des Euroraums bis auf eine tragbare Distanz hin angenähert hat. Alles andere als ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion, gepaart mit einem Schuldencut, läuft auf ein endloses Siechtum und auf eine zunehmende Europamüdigkeit sowohl in den Geber- und Nehmerstaaten heraus. Das gilt auch für Spanien und Portugal. Machen Sie so weiter, meine Damen und Herren Politiker, und die Europa-Idee wird so beständig, aber sicher ruiniert.
Wo ist eigentlich eine Opposition, die diesen Namen verdient??

Prof. Dirk Löhr

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