Dienstag, 29. Mai 2012

Eine eurogedeckte und umlaufbeschleunigte Komplementärwährung für Griechenland

Plausible Lösungen für Griechenland werden in der Presse nur wenige diskutiert. Die meisten Vorschläge sind leicht modifizierte Altlasten, deren Wirkungslosigkeit oder Widersprüchlichkeit schnell aufgelistet sind. Ein wirklich plausibler und neuer Weg ist das Express-Geld. Wir dokumentieren eine Pressemitteilung vom 23.5.2012 und ergänzen sie mit unserer Forderungen an fortschrittliche Ökonomen: Wagt die entscheidende Innovation, setzt was wirklich Neues um und bringt es zum Erfolg.

Vier Möglichkeiten für Griechenland

Eine eurogedeckte und umlaufbeschleunigte Komplementärwährung ist der beste

Weg

von Christian Gelleri und Thomas Mayer

Angesichts der Neuwahlen in Griechenland am 17. Juni ist die Zukunft
Griechenlands im Euro wieder offen. Dabei ist die Frage ´Euro oder Drachme?`
falsch gestellt, denn es gibt konstruktive Wege dazwischen. Viele Volkswirte haben
inzwischen für Griechenland die Einführung einer Parallelwährung in verschiedenen
Modellen vorgeschlagen. Welche Möglichkeiten hat Griechenland jetzt und was sind
die Auswirkungen?

1. Lange Durststrecke durch Umsetzung der Sparmaßnahmen:

Bei Einhaltung des Konsolidierungsplanes würde Griechenland weiterhin die
Unterstützung der EU, der EZB und des IWF erhalten, zahlungsfähig bleiben und
zusätzlich Gelder aus dem EU-Strukturfonds erhalten, die etwa 2% des
Bruttosozialprodukts ausmachen. Doch trotz aller staatlichen Sparmaßnahmen
werden die Schuldenberge weiter wachsen, die Rezession mindestens zwei Jahre
andauern, die Arbeitslosigkeit auf einem hohen Niveau verharren und die Verarmung
weiter zunehmen. Damit sinken die Löhne weiter, was notwendig ist, um die
Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dies alles führt zu einer Verbitterung und
Radikalisierung in der Bevölkerung, die keinen Aufschwung erlebt.

2. Chaotischer Zusammenbruch durch Austritt aus dem Euro:

Wenn die neue Regierung das mit EU, EZB und IWF vereinbarte Rettungspaket
kündigt oder nicht weiter umsetzt, werden die Hilfszahlungen ganz oder teilweise
gestoppt. Zunächst würde der griechische Staat zahlungsunfähig und könnte
Gehälter, Renten, Lieferanten und den Schuldendienst nicht mehr bezahlen.
Aufgrund der Zahlungsunfähigkeit akzeptiert die EZB griechische Staatsanleihen
nicht mehr als Kreditsicherheit und damit sind alle griechischen Banken von der
Geldversorgung abgeschnitten und pleite. Gleichzeitig beginnt ein panikartiger Bank-
Run und Geldtransfer ins Ausland. Es wird so chaotisch, dass der Staat nur mit einer
zeitweiligen Sperrung der Grenzen, Einfrieren aller Konten und Wiedereinführung der
Drachme reagieren kann und Griechenland gleichzeitig aus dem Euroraum und der
EU austreten muss. Alle bestehenden Euroguthaben werden zwangsweise in
Drachme getauscht. Diese wird vermutlich bis zu 50% gegenüber dem Euro
abwerten, womit sich der Preis für alle Importwaren verdoppelt. Die Bevölkerung hat
über Nacht einen großen Einkommensverlust, Außenhandel ist nur noch gegen
Barzahlung möglich, Unternehmen haben Schwierigkeiten Rohstoffe und
Vorprodukte aus dem Ausland zu finanzieren. Das griechische Bruttoinlandsprodukt
würde nach Schätzungen um weitere 20% einbrechen. Zwar würde langfristig die
griechische Wirtschaft durch die starke Abwertung profitieren, doch zunächst müsste
der schockartige Einbruch verdaut werden.
Da der griechische Staat keine Euro mehr zur Verfügung hat, stehen alle
ausländischen Gläubiger vor einem weiteren radikalen Schuldenschnitt. Deshalb gibt
es Schockwellen in den internationalen Finanzmärkten. Allein Deutschland würde ein
Austritt bis zu 80 Mrd. Euro kosten. Vor allem aber könnte der Austritt Griechenlands
einen Dominoeffekt auslösen mit verheerenden ökonomischen und sozialen Folgen
für die gesamte Eurozone.

3. Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch eine stark abgewertete Parallelwährung:

Ein Euroaustritt mit seinen negativen Wirkungen könnte vermieden werden, wenn der
Euro und eine neue Parallelwährung gleichzeitig gelten. Dies schlug zum Beispiel
der polnische Notenbankchef Marek Belka und der Chefvolkswirt der Deutschen
Bank Thomas Mayer vor, der sie "Geuro" nennt. Parallelwährungen für Griechenland
wird unter Volkswirten seit Monaten diskutiert. (Alle Konzepte sind auf
http://www.eurorettung.org/103.0.html dokumentiert).
Die Kernidee ist, dass der Staat beginnt ganz oder teilweise seine Ausgaben in
Schuldscheinen bzw. einer neuen Parallelwährung zu bezahlen. Entsprechend
weniger Euro-Hilfskredite benötigt er. Die Parallelwährung könnte entstehen durch
Schuldscheine des Staates, eine neue Notenbank oder durch Verbriefungen
staatlichen Eigentums.
Trotz der Einführung der Parallelwährung bleiben die bestehenden Eurokonten
unangetastet, so dass ein Bankrun und Panik in der Bevölkerung vermieden und die
Ersparnisse geschützt werden. Der neue Geuro ist gegenüber dem Euro frei
konvertierbar und wird deshalb vermutlich bis zu 50% abwerten. In Griechenland
würden die Waren also doppelt ausgezeichnet, Preis in Euro und aktueller Preis in
Geuro. Ausländische Waren werden für die Griechen entsprechend teurer, Exporte
aus Griechenland aber wesentlich billiger, was langfristig die Wettbewerbsfähigkeit
verbessert und der exportierenden griechischen Wirtschaft und dem Tourismus
Aufwind gibt. Gleichzeitig steigt die Inlandsnachfrage, denn ausländische Waren
werden unbezahlbar. Daraus ergeben sich notwendige Wachstumsimpulse für die
griechische Wirtschaft.
Da aber alle bestehenden in- und ausländischen Kredite in Euro lauten und deshalb
durch die abgewerteten Geuro-Einkommen nicht mehr bedient werden können,
müssen diese anteilig per Gesetz auf Geuro umgeschrieben werden. Für
ausländische Gläubiger bedeutet dies ein Verlust, es sei denn der Geuro würde im
Laufe der Jahre durch eine gute Haushalts- und Wirtschaftspolitik wieder an den
Euro anschließen. Da sich die griechischen Banken in Euro refinanziert haben, aber
jetzt Geuro-Kredite haben, müssen sie hohe Abschreibungen vornehmen, die sie
selber nicht verkraften können und müssen deshalb nochmal von der EU und der
EZB gestützt werden.
Durch eine frei konvertierbare Parallelwährung würden also die katastrophalen
Folgen eines Euro-Austrittes vermieden. Die drastische Abwertung trifft zunächst
Kunden und Unternehmen und macht große Probleme mit bestehenden Euro-
Krediten, doch langfristig wird die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft
verbessert. Der Aufschwung wäre absehbarer und Griechenland könnte früher aus
dem Schutz der Rettungsschirme entlassen werden. Deshalb ist diese Variante für
die anderen Euroländer vermutlich billiger als die beiden obigen Varianten.
Griechenland hätte Zeit sich zu entwickeln, bis irgendwann der Geuro nicht mehr
notwendig ist.

4. Konjunkturmotor und sanfter Weg mit Expressgeld:

Die Komplementärwährung, die von Christian Gelleri und Thomas Mayer (einem
Namensvetter des Deutsche Bank Chefvolkswirtes) in der Studie "Expressgeld statt
Euroaustritt" entwickelt wurde, ist anders konstruiert. Die Autoren gründeten vor zehn
Jahren den Chiemgauer, das größte Regiogeld Deutschlands und übertragen diese
Erfahrungen auf Griechenland.
Das Expressgeld ist an den Euro gekoppelt und durch hinterlegte Euro gedeckt und
wird vom Staat zusammen mit der Notenbank in Umlauf gebracht. Bei einem
Rücktausch von Expressgeld in Euro fällt eine Umtauschgebühr (Abflussbremse) von
10% an. Damit wird erreicht, dass das Geld im Land bleibt und das Expressgeld
gegenüber dem Euro etwas abgewertet ist, was der griechischen Wirtschaft nützt.
Dieser feste Wechselkurs ist für Unternehmen klar kalkulierbar und für die
griechische Bevölkerung verträglich. Durch die feste Koppelung an den Euro müssen
keine Eurokredite umgeschrieben werden, entsprechend fallen keine weiteren
Abschreibungen bei griechischen Banken an. Griechenland kann vollwertiges
Mitglied des Eurosystems bleiben, die griechische Notenbank hat nur die
Zusatzaufgabe Euro in Expressgeld zu tauschen. Für die Deckung des für
Griechenland notwendigen Expressgeldes sind etwa 13 Milliarden Euro notwendig,
diese müssen nicht extra finanziert werden, der Staat wechselt Euro in Expressgeld
und bezahlt damit seine Ausgaben.
Neben der Eurodeckung und Abflussbremse ist das Expressgeld vor allem mit einem
Umlaufimpuls versehen. Durch eine Nutzungsgebühr von 8% im Jahr wird der
Geldfluss beschleunigt, was die Wirtschaft antreibt. Die Grundidee ist: Wenn kein
zusätzliches Geld in die Wirtschaft eingeführt werden kann, weil es nicht da ist oder
sofort wieder abfließt durch Importe oder Geldflucht, muss man das vorhandene Geld
besser nutzen (Liquiditätsoptimierung). Wenn alle Beteiligten ihr Verhalten ändern
und das Geld schneller ausgeben, wird die Binnennachfrage massiv gestärkt und
Griechenland könnte nach Berechnungen schnell aus der Rezession
herauskommen. Eine Verdoppelung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, soweit
es in der Realwirtschaft bleibt und freie Kapazitäten vorhanden sind, führt zu einer
Verdoppelung des Bruttosozialproduktes.
Das Expressgeld fügt sich also nahtlos in das Eurosystem und die bestehenden
Vereinbarungen mit der Troika ein. Es gibt keine Probleme mit Eurokrediten. Durch
eine 10%-Abwertung wird die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands verbessert und
der Umlaufimpuls initiiert ein starkes Wirtschaftswachstum, das zu neuen
Arbeitsplätzen und mehr Steuereinnahmen führt. Den anderen Parallelgeld-
Konzepten fehlt dieser Konjunkturmotor, das Wachstum soll durch eine schmerzende
Abwertung entstehen. Dagegen vermeidet das Expressgeld alle finanziellen Schocks
und weitere Verbitterung der Bevölkerung und ist deshalb der sanfteste Weg zu
einem Aufschwung. (Weitere Infos zum Expressgeld unter http://www.eurorettung.org)

Kontakt:
Thomas Mayer, Tel. 0049-831-5709512, thomas.mayer@eurorettung.org,
www.eurorettung.org
Christian Gelleri, Tel. 08031-4698039, christian@gelleri.com, www.chiemgauer.info

Dienstag, 15. Mai 2012

Schwafeln oder denken

In Talkshows und Presserunden werden Auswege aus der Krisenentwicklung in bisher nicht gekanntem Ausmaß diskutiert. Erschreckend dabei ist nicht nur, dass längst widerlegte Ansätze aufgewärmt werden. Auch die Argumentation ist oft in sich widersprüchlich und vor allem werden Konsequenzen für vorgeschlagene Maßnahmen nicht zu Ende gedacht. Es fehlt an der Bereitschaft, Kausalitäten darzustellen und den Ursachen auf den Grund zu gehen.

Drei beliebte Ungereimtheiten:
Alle wollen Wachstum, doch keiner sagt genau, welches, wie viel und mit welchen Konsequenzen.
Staaten sollen sparen und Steuergelder effizienter einsetzen, als wenn man dies nicht schon seit Jahrzehnten versucht.
Der Markt soll mit billigem Geld versorgt werden. Dass diese Geldschwemme letztlich zur Geldentwertung führt, wird lieber verschwiegen.


Helmut Creutz fordert, die Zusammenhänge klar zu benennen. Nur wenn Ursache und Wirkung richtig erkannt werde, kann man die richtigen Schlüsse ziehen.


Weil, weil, weil….
Von den monetären Kettenreaktionen in unseren Volkswirtschaften und warum sie ständig wachsen und letztendlich kollabieren müssen!

Weil unsere Volkswirtschaften nur bei einem geschlossenen Geldkreislauf funktionieren, müssen alle Ersparnisse und Geldvermögensüberschüsse über Kredite wieder in die Wirtschaft zurückgeführt werden.

Weil diese Rückführungen heute nur über Zinsbelohnungen funktionieren, nehmen diese Geldvermögens-Überschüsse, aufgrund des Zinseszins-Effekts, jedoch mit wachsender Beschleunigung zu und damit auch der Kreditaufnahmezwang.

Weil das Wachstum der Wirtschaft mit dem der Geldvermögen schließlich nicht mehr Schritt halten kann, müssen die sich weiterhin vermehrenden Überschüsse zunehmend über Staatsverschuldungen in den Kreislauf zurückgeführt werden.

Weil jedoch auch diese Kreditaufnahme-Möglichkeiten der Staaten sehr bald an Grenzen stoßen, kommt es zu einem Ausweichen der Geldvermögen in die Spekulation und damit zu Exzessen, wie wir sie seit zehn Jahren erleben.

Weil sich schließlich selbst die Banken an diesen Spekulationen beteiligen müssen, kommt es auch hier zu astronomischen Verlusten, die am Ende von der Politik mit Steuergeldern aufgefangen werden müssen.

Weil mit diesen „Rettungsschirmen“ die Belastungen der Staaten noch mehr zunehmen, bleiben schließlich nur noch radikale Einsparungen bei Investitionen, Sozialausgaben oder Löhnen.

Weil diese Einsparungen die Verbraucher-Kaufkraft jedoch ebenso gefährden wie den sozialen Frieden, ist der einzige Ausweg die Flucht in noch mehr Wirtschaftswachstum, ohne Rücksicht auf die Umwelt.

Doch weil dieser Spielraum zwischen Rettung des sozialen Friedens auf Kosten der Umwelt, oder Rettung der Umwelt auf Kosten des sozialen Friedens immer kleiner wird, ist diese Alternative inzwischen ausgereizt! - Es sei denn, man dreht endlich jene „Flamme unter dem Kessel“ kleiner, die ihn immer mehr „zum Überkochen bringt“! Denn wenn in einem Organismus ein Teil rascher als das Ganze wächst, wie bei den Geldvermögen aufgrund des Zins- und Zinseszins-Effekts seit 1950 der Fall, kann dessen Kollaps nur eine Frage der Zeit sein! - Und „Dank“ der Blindheit unserer Wirtschaftswissenschaftler besteht auch noch die Gefahr, dass man nach diesem Kollaps (der schlimmer werden könnte als jener von 1929) wieder mit den gleichen Fehlern im System beginnt.

Helmut Creutz – 2012