Donnerstag, 15. März 2012

Aufgelesen

Was andere – mehr oder minder unmittelbar – über unser Thema und über uns schreiben. Der Glaube an unser westliches Wirtschaftssystem glich viele Jahre lang demjenigen an die Unsinkbarkeit der Titanic. Nachdem der Bug des Schiffes Kapitalismus bereits heftig am Eisberg rumpelt, steigt das Interesse am ramponierten Wirtschaftssystem, an den Ursachen, an Alternativen und damit an der Natürlichen Wirtschaftsordnung erheblich an – kein Wunder, denn "die Probleme, die es in der Welt gibt, sind nicht mit der gleichen Denkweise zu lösen, die sie erzeugt hat." (Albert Einstein angesichts der Weltwirtschaftskrise 1929)



Links zu Internetseiten zum Thema finden Sie nachfolgend in chronologischer Reihenfolge ihres Erscheinens. Eine Auflistung von Anselm Rapp. Weiter, von ihm zusammengestellte Links, finden Sie hier.

Ehrung für einen Reformer – In Oranienburg wurde an den 150. Geburtstag von Silvio Gesell erinnert
"Mit einer Gedenkveranstaltung am Grab Silvio Gesells auf dem Oranienburger Friedhof wurde am Sonnabend an den namhaften Wirtschafts- und Geld-Reformer erinnert. Gesell, dessen 150. Geburtstag sich am 17. März zum 150. Male jährt, gilt als der Begründer der Freiwirtschaftslehre. Sein Ziel war eine stabile und freiheitliche Marktwirtschaft durch Abschaffung des Geldzinses und des Privateigentums an Grund- und Boden."
(Ulrich Bergt in Märkische Allgemeine, 12.03.2012)
Audienz bei Silvio Gesell
"Er trat für einen freien, fairen, chancengleichen Wettbewerb ein. Für den Berliner Innovationskreis, der nach alternativen Ansätzen in Arbeit und Wirtschaft sucht, sind die Ideen von Silvio Gesell noch heute interessant – und ein Grund für einen Besuch in Eden."
(Heike Weißapfel in Märkische Oderzeitung, 11.03.2012)
Köthen: Fünf vor Zwölf in Sankt Jakob
"... waren Schlagzeilen zu lesen, die von der weltweiten Finanzkrise und Staatspleiten kündeten. Dem wurden Zitate von Persönlichkeiten wie Helmut Creutz, Margrit Kennedy und Dirk Müller entgegengesetzt, die sich für die Freiwirtschaft als Alternative zur bestehenden Wirtschaftsordnung stark machen. Ihre Zitate brachten auf den Punkt, was auf dem Geldkongress in Köthen sieben Tage Thema sein wird: Geld- und Bodenreform, Regionalgeld, eine nachhaltige Wirtschaft und bedingungsloses Grundeinkommen.
(Katrin Noack in Mitteldeutsche Zeitung, 11.03.2012)
Nicht auf Kosten der anderen – Die Kritik des Silvio Gesell an einem raffgierigen System
"Der am 17. März 1862 ... geborene Ökonom wollte der Wirtschaft eine Radikalkur verordnen. Die Fixierung auf das Geld ... hindert den Menschen daran, sich auf seine eigentlichen Qualitäten zu besinnen. Ein Unternehmer beispielsweise, der seinen Gewinn zur Bank trägt, weil ihm dies höhere Zinsen verspricht, als weitere Investitionen dies tun würden, unternimmt nichts mehr."
(Rolf Höller in Neues Deutschland, sozialistische Tageszeitung, 10.03.2012)
Wenn das Geld rostet
"Viele Notenbanken sitzen zurzeit in der Liquiditätsfalle. Um endlich daraus zu entrinnen, greift das US-Fed nun auf eine alte Idee zurück: Geld, das weniger wert wird. ... Mit dieser Geldpolitik greift Bernanke eine alte Idee auf. Sie stammt von Silvio Gesell, einem sehr erfolgreichen Kaufmann deutsch-argentinischer Herkunft."
(Philipp Löpfe in der Basler Zeitung, 03.02.2012)
Islamisches Finanzwesen: Gottgefällige Banker
"Der Koran wird deutlich: 'Diejenigen, die Zins nehmen, werden dereinst nicht anders dastehen als einer, der vom Satan erfasst und geschlagen ist.' In Sure 2, Vers 275 wird das ewige Höllenfeuer dem angedroht, der sich nicht an das Zinsverbot hält."
(Sabrina Ebitsch in Zeit Online, 27.01.2012)

Dienstag, 13. März 2012

Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum.

"Wohlstand ohne Wachstum" gehört seit langem zu den Vortragstiteln einiger Fairconomy Referenten. Der Britische Autor hat den Titel aufgegriffen, ohne den Wachstumsmotor Zins explizit zu untersuchen. Wir möchten das Buch dennoch würdigen, mit einer Buchbesprechung von Professor Roland Geitmann.

Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum. Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt. Hrsg. v. d. Heinrich-Böll-Stiftung. Aus dem Englischen von E. Leipprand. Mit Vorworten von Jürgen Trittin, Uwe Schneidewind und Barbara Unmüßig. Oekom Verlag 2011, 239 Seiten, 19,95 €.

Der Autor ist Professor für Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategien der Universität Surrey und leitendes Mitglied der britischen Regierungskommission SDC (Sustainable Development Commission), die im Jahr 2009 einen Bericht unter dem Titel „Prosperity Without Growth?!“  vorlegte. Hierauf stützt sich Jacksons Buch, mit dem er das Wachstumsparadigma nunmehr unüberhörbar infragestellt. „Ein neues Denken hat Einzug gehalten in die Welt der Ökonomie, und dieses Buch sollte zu den ersten gehören, die man dazu lesen sollte. Ein Buch wie ein Manifest“, kommentierte die Tageszeitung The Guardian.

„Unsere Technologien, unsere Wirtschaftsform und unsere sozialen Ziele lassen sich allesamt mit sinnvollem Wohlstand nicht vereinbaren. Unsere Vorstellung eines gesellschaftlichen Fortschritts, der auf ständig zunehmenden materiellen Bedürfnissen beruht, ist grundsätzlich unhaltbar.“ (S. 24) Im Anschluss an Amartya Sen wirbt Jackson dafür, Wohlstand weder über „Fülle“ noch über „Nutzen“ zu definieren, sondern als „Fähigkeit zum Gedeihen“ und dabei ökologische Grenzen und die Größe der Weltbevölkerung von vornherein mitzudenken.

Entschieden widerspricht Jackson der Illusion, die (dringend notwendige) „Entkoppelung“ zwischen Wirtschaftswachstum und Ressourceninanspruchnahme reiche allein aus. Zwar sei eine „relative“ Entkoppelung auf vielen Feldern gelungen; doch bedingt durch das Wirtschaftswachstum insbesondere der Schwellenländer seien die „absoluten“ Zahlen weiter gestiegen, was bei Fortsetzung ins Desaster führe. Deswegen sei es unausweichlich, die Struktur der Marktwirtschaften zu verändern.

Bei seinen Ansätzen zur Veränderung dringt Jackson nur zaghaft zur Rolle des Geldwesens vor. Zwar erkennt er die Tendenz zu Kreditausweitung, Überschuldung und entsprechenden Zinslasten sowohl der Verbraucher als auch des Staates. „Der Markt wurde durch das Wachstum selbst zerstört“ (S. 51), heißt es unter „Labyrinth der Schulden“ im Kapitel 2 über „Das Zeitalter der Verantwortungslosigkeit“. Doch dass Zinsrechnung und das entsprechende Abdiskontieren künftiger Effekte die Wirtschaft auf kurzsichtiges Denken programmieren und Wachstum erzwingen, bemerkt er nicht. Hier ansetzende Autoren und Ideen bleiben ausgeblendet. Erwähnung finden (S. 181 f.) lediglich die Tobin-Steuer zur Mäßigung internationaler Devisentransfers und die 100%-Reserve bei Krediten (J. Robertson, H. Daly, in Deutschland durch J. Huber bekannt unter „Vollgeld“).

Eine ökologische Makroökonomie sei erst noch zu entwickeln. Vorerst setzt Jackson auf die Festlegung von Obergrenzen und Reduktionszielen für Ressourcen und Emissionen, auf ökologische Steuerreform und Unterstützung des ökologischen Wandels in Entwicklungsländern. Statt zunehmende Arbeitsproduktivität und damit wachsende Arbeitslosigkeit zu begünstigen, solle in Arbeitsplätze, Dienstleistungen, Vermögenswerte und Infrastruktur investiert werden, was der öffentlichen Hand mehr Aufgaben zuweise. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung müsse soziale und ökologische Wirkungen mit erfassen, die Arbeitszeit gesenkt und besser verteilt werden. Ein solches Wirtschaftsmodell werde „weniger kapitalistisch“ sein.

Bei aller Zustimmung bedauert man als Leser die Lücke „Geld- und Eigentumsordnung“ und wünscht sich eine Begegnung der Ideenströme – z. B. durch Wahrnehmung dessen, was der britische Ökonom J. M. Keynes über Silvio Gesell schrieb oder was Dieter Suhr, Bernard Lietaer und andere auch in englischer Sprache über notwendige Veränderungen im Geldwesen publiziert haben. Denn umlaufgesichertes Geld wirkt ja in beiden Richtungen, erleichtert Wachstum, wo es erforderlich ist, ohne es über jeden Bedarf hinaus systemisch zu erzwingen, und ist deshalb vermutlich Kernvoraussetzung für eine Steady-State-Ökonomie.  

13. März 2012



 

Freitag, 2. März 2012

Expressgeld statt Euroaustritt

Der INWO ist es ein zentrales Anliegen, Zentralbankgeld so zu gestalten, dass es dauerhaft wachstumsneutral und nachhaltig ist. Auf dem Weg dorthin braucht es noch viel Erfahrung, Forschung und Feldversuche. Einen solchen Beitrag liefert das Regiogeld Chiemgauer. Wir möchten Sie daher auf einen Beitrag der Initiatoren Christian Gelleri und Thomas Mayer aufmerksam machen:

Expressgeld statt Euroaustritt

Die Bewältigung der Finanz-Euro-Krise ist möglich. Christian Gelleri und Thomas Mayer, haben einen umsetzbaren Lösungsvorschlag in Form von komplementären Währungen in Ergänzung zum Euro erarbeitet. Je unsicherer der Euro wird, umso wichtiger werden alternative Geldsysteme, die neben dem Euro funktionieren und die die Realwirtschaft stabilisieren. Den ganzen Artikel können Sie hier als .pdf(279 kb) herunterladen.

Christian Gelleri und Thomas Mayer, Februar 2012